Vorgeschichte

An diesem singulären Ort ereignet(e) sich deutsche Geschichte quasi wie durch ein Brennglas „gebündelt“ - im Positiven wie im Negativen. Auf wenigen Quadratmetern überkreuzen und entladen sich berührende wie fatale, kriminelle und geniale Schicksale, Energien und Ereignisse: Namen von Weltrang, Hitlers Größenwahn, ein Nazimord, SED-Willkür, veritable Wende-Opfer und eine Weimarer Provinz-Posse...

  • 1708
    der junge Bach zieht im „Freihaus“ am Markt mit seiner jungen Familie ein und schreibt hier in den folgenden zehn Jahren unsterbliche Meisterwerke.
  • 1710 & 1714
    werden seine beiden berühmtesten Söhne, Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel, hier geboren. Bis 1717 lebt die Bachfamilie am Weimarer Markt. Nach Bachs Weggang aus Weimar „in angezeigter Ungnade“ gerät seine Anwesenheit zunächst weitgehend in Vergessenheit.
  • 1749
    eröffnet direkt neben Bachs Wohnhaus das Gasthaus, später Hotel Zum Erbprinzen. Es gilt als erstes Haus am Platze und wird
  • 1805
    um das nebenstehende (ehemalige) Bachhaus erweitert: beide Häuser werden hinter einer Fassade „vereint“. Gäste von europäischem Rang wie Napoleon Bonaparte, König Ludwig I, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Leo Tolstoi, Richard Wagner, Franz Liszt, Gustav Mahler, Johannes Brahms, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gerhart Hauptmann und über 100 weitere dieser „Couleur“ geben sich hier die Klinke in die Hand. Ein Gast allerdings weilt niemals hier: Adolf Hitler. Und dies, obwohl der „Führer“
  • 1935
    den Erbprinzen zusätzlich zu erwerben wünscht, um den anstehenden Neubau des direkt rechts angrenzenden Hotels Elephant nach seinen Vorstellungen gestalten zu können. Der Besitzer des Erbprinzen, Carl Vetter, verweigert jedoch einen Verkauf an die NSDAP. Er wird daraufhin verhaftet. Zwei Tage später zeigt „der Kaufmann Emil Kroll“ laut Mitteilung der Behörden/Sterbeurkunde an, dass der Hotelbesitzer Carl Vetter „wie er aus eigener Wissenschaft unterrichtet sei … zu Weimar im Hause Watzdorfstraße 60 … tot aufgefunden worden“ sei. Was diese „Sterbeurkunde“ dezent verschweigt, um den Nazimord notdürftig zu kaschieren: in dem Gebäude, wo Carl Vetter tot aufgefunden wird, sitzt das „Amtsgesundheitsgericht – zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, in dessen Innenhof befand sich über ein Jahrzehnt die zentrale Hinrichtungsstätte für Thüringen. Der Sohn Carl Vetters, Wolfgang Vetter, führt anschließend trotz Schikanen durch das Naziregime das Hotel weiter und eröffnet
  • 1939
    dort eine Bachstube: das zweite Bachmuseum der Welt - nach dem 1906 gegründeten Bachhaus Eisenach. Am
  • 9. Februar 1945
    wird ein Teil des Erbprinzen – das ehemalige Bachhaus – von einer Bombe getroffen und bis auf die Grundmauern und die Renaissance-Kellergewölbe zerstört. Bild (Foto: Günther Beyer, © Constantin Beyer, Weimar)
  • Nach dem 2. Weltkrieg
    wird das unter großen Anstrengungen der Eigentümer wieder errichtete Erdgeschoss des Gebäudes als Bachstube nach historischem Vorbild genutzt. Die Leidensgeschichte der - überlebenden - Besitzer geht jedoch weiter ... allerdings unter neuen Vorzeichen: das angrenzende Hotel Elephant hat mittlerweile die Fahne der SED gehisst und wird zum Interhotel Elephant. Das Hotel Zum Erbprinzen muss sich auf Parteigeheiß umbenennen in Parkhotel zum Erbprinzen, später nochmals verkürzt in Parkhotel. Die Betreiber erhalten nicht genügend Lebensmittelmarken für ihre Gäste und werden von der SED schikaniert – Ziel ist die Enteignung.
  • 1960
    flieht die Familie, da Verhaftung drohte, in den Westen und lässt das Hotel zurück. Der Erbprinz/Parkhotel wird noch sieben Jahre unter staatlicher Führung weiterbetrieben, anschließend unter die „Rechtsträgerschaft“ des daneben liegenden Interhotel Elephant gestellt.
  • 1968
    jedoch seinem Schicksal überlassen: das unter Denkmalschutz stehende Hotel wird nach und nach ausgeplündert und verfällt. Dieser zunehmend unhaltbar werdende Zustand wird im letzten Vorwende-Winter
  • 1988/89
    auf Anordnung der Partei in Erfurt – und gegen das Verbot des Kultusministeriums in Berlin – beendet: die zum Markt hin liegenden ältesten Teile des Erbprinz/Parkhotel werden abgerissen.
  • 1993/94
    werden die Gebäudeteile auf dem hinteren Grundstücksareal ebenfalls abgerissen, mit der Absicht, eine Tiefgarage und darauf einen Wiederaufbau (Eigentümer Comes Bauconcept, Betreiber: Flamberg Hotels) des Hotels zu errichten.